Froschbutter

Nicht aufhören zu strampeln, es wird irgendwann ...

Rückbüffet des Muted Horn

Die vorläufig beste Craft Beer Bar Berlins: The Muted Horn

Im neu­en Mik­kel­ler war ich noch nicht, weder Brew­dog, Hop­fen­reich noch ande­re übli­che Craft Beer-Trän­ken haben mich seit län­ge­rer Zeit gese­hen. ›Schuld‹ dar­an ist das »Muted Horn«. Dabei unter­schei­det es sich auf den ers­ten Blick kaum von die­sen: »Indus­tri­al Look«, der Tre­sen mit der Zapf­hahn­bat­te­rie an der rück­wär­ti­gen Wand, dar­über die gro­ße Anzei­ge­wand mit dem Bier­sor­ti­ment. Was macht also die­se Bar so anders?

Auswahl & Darreichung

Vie­les scheint mir ein­fach bes­ser (für den Gast!) durch­dacht und umge­setzt zu sein. Aus den 22 Häh­nen (davon zwei mit Stick­stoff betrie­be­ne) fließt eine aus­ge­wo­ge­ne, dabei mit wech­seln­den Schwer­punk­ten durch­setz­te Auswahl.

Um eine bei die­sem Namen nicht ganz fern lie­gen­de Meta­pher her­an­zu­zie­hen: Das Orches­ter ist kom­plett besetzt, vom sub­ti­len Holz (Geu­ze, Sour, Hel­le Lager) über mit­rei­ßen­de Strei­cher (Ales aller Cou­leur) bis zum schwe­ren Blech (Impe­ri­al IPAs & Stouts) fehlt nichts, doch jeder Teil darf sich mal in den Vor­der­grund spielen.

Das geschieht vor allem mit­tels regel­mä­ßi­ger Tap Take­over durch Braue­rei­en, von denen zumin­dest ich noch nichts oder wenig gehört hat­te. Das jewei­li­ge Ange­bot mag mich sehr anspre­chen (»Dieu Du Ciel!«!) oder nicht so, die dahin­ter ste­hen­de Absicht, auch eher unbe­kann­te Pfa­de des Bier­uni­ver­sums zu erkun­den, ist span­nend und hält die Neu­gier hoch.

Bei rund einem hal­ben Dut­zend Besu­chen hat­te ich nie den (in immer mehr ein­ge­führ­ten Craft Beer-Loka­len immer öfter gewon­ne­nen) Ein­druck, dass preis­wer­te Lücken­fül­ler auf ›Normal‹-Besucher und –Prei­se abzie­len, wäh­rend die ambi­tio­nier­te­ren Sor­ten ver­knappt und ver­teu­ert wer­den. Immer stan­den mehr inter­es­san­te Bie­re auf der Kar­te, als ich an einem Abend ver­tra­gen konnte 😉 .

Die Preis­po­li­tik ist (bis­her) eben­so durch­dacht und sinn­voll: Es gibt Bier in 0,3l- oder 0,4l-Gläsern bei Prei­sen zwi­schen 4,- und 6,- € (sel­ten etwas drü­ber). Dazu gibt es die Mög­lich­keit, Flights mit vier 0,15l-Pröbchen für 8,- € zu bestellen.

Als wei­te­ren lobens­wer­ten Punkt möch­te ich ein Detail der tages­ak­tu­el­len Klemm­brett­kar­te anfüh­ren: Lässt sich abse­hen, dass eine Sor­te aus­geht, steht bereits dort, was als nächs­tes an den Hahn kommt. So kann ich zum einen sehen, was viel­leicht vor­dring­lich zu pro­bie­ren ist, zum ande­ren kann ich mich gege­be­nen­falls schon auf den Nach­fol­ger freu­en. Vorbildlich!

Das soll als ers­ter Blick auf die »Büh­ne« des Orches­ters genü­gen, doch nun gilt es, nach dem »gro­ßen Zam­pa­no« zu suchen, der hin­ter all dem steckt.

Expertise & Ambition

In die­sem Fall sind es zwei, Jenia und Cor­bin aus Vancouver/​Kanada. Sie sind seit rund drei Jah­ren in Ber­lin und kamen schon mit dem Vor­satz hier­her, eine Craft Beer Bar zu eröff­nen. Die dor­ti­ge Sze­ne scheint recht rege und mit ver­gleichs­wei­se lan­ger Tra­di­ti­on behaf­tet zu sein; ich weiß nicht, ob die bei­den schon dort in die­ser spe­zi­el­len Nische aktiv waren, zumal sie aus mei­ner War­te auch noch so jung sind.

Aber sie wuss­ten auf jeden Fall sehr genau, was sie woll­ten, und haben anschei­nend auch einen ziem­lich aus­ge­ar­bei­te­ten Plan, wo sie mit dem »Muted Horn« hin­wol­len. Mehr kann man in die­sem Inter­view bei den »Hop­fen­hel­den« lesen.

Mei­nem Ein­druck nach »leben« die zwei ihren Laden, sind so gut wie immer am Abend dort, auch wenn sie nicht hin­term Tre­sen ste­hen. Das Wort »kura­tie­ren« ist in letz­ter Zeit in Gas­tro-Bespre­chun­gen ziem­lich in Mode gekom­men – hier macht es Sinn. Ich hat­te in Ber­lin noch nie den Ein­druck, in einer ver­gleich­bar gut kura­tier­ten Craft Beer Bar zu sein.

Zeitgeist & Geselligkeit

Die Sorg­falt der Eigen­tü­mer mani­fes­tiert sich auch in der Gestal­tung der Räum­lich­kei­ten. Natür­lich hat das auch viel mit per­sön­li­chem Geschmack zu tun, und mei­nen trifft nicht alles unbe­dingt. Mir ist es einen Tick zu ’nackt‹, zu ’schat­tig‹, zu ›hip‹. Unge­ach­tet des­sen zei­gen diver­se Details das Vor­ha­ben, im hin­te­ren Teil einen Ort für län­ge­re, auch gesel­li­ge Auf­ent­hal­te anzu­bie­ten. ›Gemüt­li­che‹ Second Hand-Sitz­grup­pen und Sofa­ecken ste­hen bereit, dazu lie­gen ana­lo­ge, ech­te 😉 Spie­le und Bücher aus, letz­te­re wohl auch im Zusam­men­hang mit der Namens­in­spi­ra­ti­on aus Pyn­chons »Die Ver­stei­ge­rung von No. 49″.

Inwie­weit sich das »Muted Horn« damit im Kiez ver­an­kern kann, bleibt abzu­war­ten, jeden­falls habe ich dort schon mehr­fach brett­spie­len­de Men­schen gese­hen; und das ist alle­mal eine net­te Abwechs­lung zu den ein­sa­men »CB Geeks«, die mit akri­bisch zusam­men­ge­stell­ten Flights und der geöff­ne­ten Rate­beer-App im Smart­phone am Tre­sen hocken.

Auch mit der Musik bin ich bis­lang nicht über­mä­ßig glück­lich, die Aus­wahl könn­te schon etwas »kura­tier­ter« sein. Ich habe noch nichts gehört, was mein Inter­es­se erreg­te. Viel­leicht erwar­te ich da zu viel und »die Jugend« ist es zufrie­den. Zudem schei­nen mei­ne alten Ohren immer schlech­ter Hin­ter­grund­rau­schen aus­fil­tern zu kön­nen, sodass ich bei einer Unter­hal­tung in einer Sitz­grup­pe dau­ernd auf der Ses­sel­kan­te sit­zen muss­te, um alles zu ver­ste­hen. Klar, Akus­tik­ma­nage­ment ist eine kom­ple­xe Sache, den einen ist es immer zu laut, den ande­ren zu leise.

Herausforderung & Hoffnung

Weder die durch­weg sehr posi­ti­ve Auf­nah­me des »Muted Horn« in Lokal- und Fach­pres­se noch Lob­hu­de­lei­en wie die­se sind ein Grad­mes­ser dafür, ob das Lokal auf län­ge­re Sicht erfolg­reich ist und bleibt. Der Spa­gat zwi­schen der Qua­li­tät des Ange­bo­tes und dem damit erziel­ba­ren Ertrag ist die zu meis­tern­de Kern­auf­ga­be; die­se unver­meid­li­che Wahr­heit hat schon ande­ren »die Flü­gel gestutzt«.

Der Auf­bau und die Pfle­ge eines aus­rei­chend gro­ßen, aber auch gegen­über bie­ri­gen Aben­teu­ern offe­nen Gäs­tes­tam­mes hat daher durch­aus etwas von einer Grat­wan­de­rung: Auf bei­den Sei­ten geht es ziem­lich steil abwärts, kei­ne soll­te man aus den Augen verlieren.

Das Bespie­len der »neu­en Medi­en« wie Twit­ter & Face­book klappt schon ganz leid­lich, dazu gibt es eine Web­site mit aktu­ell gehal­te­ner Sor­ti­ments­lis­te, was im Sin­ne der »Mar­ke« unver­zicht­bar ist. Jenia ist Mit­or­ga­ni­sa­to­rin der Meet­up-Grup­pe »Tas­te Ber­lin«. Ich könn­te mir vor­stel­len, dass das »Muted Horn« auch in der Inter­ak­ti­on mit der »digi­tal com­mu­ni­ty« eine Qua­li­tät errei­chen kann, die es so in Ber­lin noch nicht gibt.

Um schluss­end­lich noch ein­mal die Orches­ter-Meta­pher zu bemü­hen: Ich wün­sche dem gestopf­ten Horn, dass es im Kon­zert der lau­ten Trö­ten mit sei­nen fei­nen Melo­dien bestehen kann!


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