Nach zwei Monaten kann ich schon sagen, dass mir unser neues Büro sehr gut gefällt. Es gibt dafür viele Gründe, einer ist auf jeden Fall die Position meines Arbeitsplatzes. Er liegt im rückwärtigen Raum, an der Wand zum Treppenhaus des Seitenflügels, linkerhand ist ein schönes Fenster zum Hof. Aufgrund der Lage des Hauses gibt es tagsüber reichlich Licht, ohne jedoch direkt hinein zu scheinen. Besonders im Sommer ist das ideal.
Meine zwei Kollegen sitzen im vorderen Raum. Da wir in der Regel an verschiedenen Projekten arbeiten, ist diese räumliche Getrenntheit nicht schlimm. Es ist aber schon eine kleine Einschränkung, dass ich mit dem Rücken zu ihnen sitze. Ich sehe weder sie noch die Eingangstür zur Straßenseite (ach ja, das Büro ist ein Ladenbüro im Erdgeschoss).
In der Regel mache ich also meine eigenes Ding; das wird durch meine Angewohnheit unterstützt, meistens unter einer mächtigen Soundglocke zu sitzen. iTunes & Spotify schaufeln Stoner & Desert Rock, Singer/Songwriter und anderes Abseitige mittels In-Ears in meine Gehörgänge. Es haben schon viele den Kopf geschüttelt, aber ich kann so gut arbeiten! Die Texte lerne ich dabei sicher nicht, aber ich komme in einen guten »Flow«.
Mit Anfang der Sommerferien sah ich einer längeren Periode entgegen, in der ich das Büro für mich alleine habe – die Kollegen sind im Urlaub (oder beim externen Auftraggeber). Als alleiniger Nutzer des Büros fühlte ich mich unter meiner In-Ear-Soundglocke etwas abgeschnitten vom Rest der Welt. Es war der Zeitpunkt, einem schon jahrelang gehegten Wunsch nachzugeben, dem nach einem mobilen Bluetooth-Speaker von einigermaßen hoher Soundqualität (nach meinen Maßstäben, die wohl nicht sooo hoch sind), auch als Brüllwürfel bezeichnet.
Frisch in diesen Tagen erschienen, ganz gut getestet (vielleicht etwas zu viele Bässe? No way!), sexy aussehend – das Unbewusste hatte längst entschieden … – es wurde ein BOSE Minilink II. Schnuckeliges Teilchen!
Aufgebaut zwischen Monitor und Tastatur (ja, das ist fein so! Dicht & fett!) durchwellten mich bald die wonnigen Klänge aus Tuscon, Yoshua Tree & elsewhere. Natürlich nicht so laut wie unter Kopfhörern, und schon mit dem Vorteil, dass ich auch andere Geräusche höre.
Nachdem mein Schnuckelchen an einem Montag seinen Dienst aufgenommen hatte, hatte es zu meiner Freude eine volle Bürowoche mit feinster Mucke versüßt. Samstag Mittag, zur kurzen Extraschicht (easy!) angetreten, finde ich an der Wand des Treppenhauses, direktemang neben der Bürotür diesen Zettel.
Das konnte ich eigentlich nicht sein, oder? 07:00 Uhr morgens? Nie! Und warum hängt der Zettel erst nach fünf Tagen da? Lauter war ich während der Tage doch sicher nicht geworden?
Ganz so schnell wollte ich nicht unter meine In-Ears zurückkriechen. Das käme früh genug, sobald Collega Uno vom Lago zurückkehrte. Ich schrieb einen Antwortzettel.
Und fühlte mich gleich besser. Schnuckelchen lief wieder. Eine sehr gepflegte ältere Dame mit jugendlichem Pagenkopf schien mir en passant ins Hoffenster hinein zu spähen. Da wie gesagt die Sonne darauf scheint, bin ich nicht ganz so leicht zu sehen. Das eine Fenster ist angekippt, etwas Musik war also sicher zu hören, aber eben nur etwas ;-).
Angelegentlich verfügte ich mich zu einer Zigarettenpause (ich liebe Serner-Deutsch) vor das Büro auf die Straße. Schon beim nach vorne gehen sah ich besagte ältere Dame mit einer weiteren solchen vor dem Büro stehen und verhohlen hinein lugen. Beschleunigte sich mein Herzschlag?
So lernte ich Frau P. namentlich kennen, eine Mitbewohnerin aus dem dritten Stock, Seitenflügel. Im Übrigen war sie nicht die Verfasserin, sondern zeigte sich im Gegenteil ungehalten über die Anonymität des Schreibers. Jawoll! Sie erzählte, auf Grund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung hätte sie selbst über einen Zeitraum sicher etwas zu laut Radio gehört; aber das sei nun auch vorbei. Wir rätselten noch etwas gemeinsam. So weiß ich nun, wo »bei uns im Strang« Amerikaner wohnen und wer wohl im Urlaub ist. Nice ;-).
Am Dienstag hing nun der nächste Zettel auf dem ursächlichen. Und auf meinem stand: »Sie sind es nicht :)«. Welch Erleichterung!
Das ist der aktuelle Stand. Spannend, ob es weitergehen wird! Immerhin hat nun der Beschwerdeführer eine Kontaktmöglichkeit eröffnet. Ich hoffe sehr, dass genügend Empathie hier bei uns im Seitenflügel vorhanden ist (oder entsteht), damit jeder seines Lebens froh wird, auch akustisch!
Und ich bin es nicht, diesmal nicht! Nice!
(Soundtrack: Divine Horsemen: »Snake Handler«, Naked Prey: »Under The Blue Marlin«, »Live In Tuscon«)