Über zwei Jahre nach der ersten Ankündigung eröffnete die schottische Craft Beer-Brauerei Brewdog am 11.11.2016 ihre Bar in Berlin. Bereits am 10.11. fand eine Voreröffnung für »Equity Punks« statt. So werden diejenigen genannt, die mittels Crowdfunding Anteile an Brewdog besitzen. Gleich vorweg: Ich habe auch welche. Und ich war auf besagter Voreröffnung.
Die ersten Erfahrungen in London
Wie ich zum ersten Mal von Brewdog hörte oder eines ihrer Biere trank, weiß ich gar nicht mehr. 2013 war ich zum ersten Mal im brauereieigenen Pub in Camden, der zu dieser Zeit noch der einzige Brückenkopf in London war. Das etwas martialische Wort passt, denn in bekannt publicitybegabter Weise waren die Gründer mit dem Panzer in Camden eingeritten.
Ich war begeistert! Neben der so ungewohnten wie überwältigenden Biervielfalt und ‑güte beeindruckte mich auch die bei wiederholten Besuchen vor Augen geführte Tatsache, dass man mit »Craft Beer« eine erfolgreiche Gastronomie führen konnte. »Damals« war an etwas Vergleichbares in Berlin noch überhaupt nicht zu denken (man kann streiten, ob sich das seitdem wirklich geändert hat …).
Bei folgenden London-Besuchen pilgerte ich zu den zwischenzeitlich dazugekommenen Locations in Shoreditch und Shepherd’s Bush. Vor allem zwei Dinge waren allen ›Filialen‹ gemeinsam:
- Das Design: Ziegelsteine, Beton und Stahl sorgen für einen rauen »industrial« Look. Eher nicht gemütlich, das »anders sein« deutlich betonend.
- Die Läden waren immer voll! Klar, für Pubs in London ist das ’normal‹, aber das hier richtete sich schon an eine andere Zielgruppe.
Inzwischen hat Brewdog einen beispiellosen Aufstieg hingelegt, das Pub-Imperium nicht nur in London wuchs immer weiter und nahm dabei eine derart schnelle Fahrt auf, dass ich inzwischen abgehängt bin = Clapham Junction, Soho und Homerton kenne ich noch nicht. Nur Clerkenwell kam dazu, und das hat mich ziemlich enttäuscht. Wie auch immer, während meiner London-Aufenthalte sah ich mich natürlich auch in anderen Craft Beer-Tränken um und entdeckte unter anderem »Euston Tap« und die »Craft Beer Company«-Pubs.
Manches gefiel mir dort besser, was überwiegend mit der Einrichtung und/oder dem Essen zu tun hat, mitunter auch mit dem Publikum; so dass ich – gefragt nach meinen »Lieblings«-Craft Beer-Lokalen in London – keinen Brewdog-Laden mehr nennen würde. Und 5% Rabatt auf meine »Shareholder Card« machen den Kohl auch nicht wirklich fett.
Nach wie vor schmecken mir fast alle Brewdog-Biere außerordentlich gut; wahrscheinlich steht es im Zusammenhang mit ihrem expansiven Vorgehen besonders in London, dass sie in anderen Kneipen seltener ausgeschenkt werden.
Die neue Bar in Berlin
Auch in Berlin Mitte folgen Einrichtung und Design dem bekannten Muster, wobei ich das schon schlechter umgesetzt gesehen habe. Der im Vergleich mit besagten Londoner Läden positiver ausfallende Gesamteindruck kommt vor allem durch den Tresen zustande, der ein wahres Prachtstück ist. Ebenfalls mag eine Rolle spielen, dass der Raum schön hoch ist und insgesamt so eine ziemlich ›luftige‹ Atmosphäre schafft.
Über der Zapfhahnbatterie im Rückbüfett prangt die in ihrer Gestaltung dem Kino entliehene Anzeigewand, auf der das Bierangebot ausgeschrieben ist. Hier aus stattlichen 30 Hähnen fließend, ist rund die Hälfte dem eigenen Sortiment vorbehalten. die andere ist mit Gastbieren aus Nah und Fern bestückt, die ebenso wie das hauseigene Angebot mehr oder minder regelmäßig durchwechseln. Auf der Berlin-Mitte-Seite der Brewdog-Website kann man nachsehen, was aktuell ausgeschenkt wird.
Zum Essen gibt es Pizza; diesen Weg geht Brewdog auch in diversen anderen Lokalen, die gleichen Pizzanamen inbegriffen. Schon die Wahl von Pizza überhaupt gefällt mir nicht so sehr, noch weniger die etwas bemüht wirkenden Zusammenstellungen der Zutaten und zu guter Letzt die Preise. Ich kann nur sagen: Geht nach gegenüber ins »Papà Pane di Sorrento« und esst eine einfach gute, italienische Pizza.
Mehr Qualität für den Berliner Craft Beer-Fan
Es gibt in Berlin inzwischen mehr als zwei Dutzend Craft Beer-zentrierte Gaststätten. Alle kenne ich (noch) nicht, aber doch die meisten. Und ich habe in letzter Zeit wiederholt das Gefühl, dass es hier nicht so richtig weitergeht, bzw. falsch.
So gut wie alle der besagten Lokale in Berlin sind nach dem »Pub-Prinzip« organisiert = der Gast bestellt am Tresen, bekommt das bestellte und bezahlt sofort. Das hat viele Vorteile für den Betreiber und manche für den Gast. Sehr nachteilig für diesen wird es, sobald der Service am Tresen nicht auf der Höhe ist. Dafür kann Unterbesetzung verantwortlich sein, aber auch nicht ausreichende professionelle Befähigung oder Fachkenntnis.
Wenn ich in der Regel um die 5,-, teils über 7,- € für ein 0,3er Bierchen hinlege (wenn’s lecker ist, gerne!), will ich nicht länger als fünf Minuten um Aufmerksamkeit ringen, bzw. auf Bedienung warten. Das muss wirklich ruckzuck gehen, sonst endet es schnell in einem letzten Besuch – bei mir jedenfalls.
Schon aus dieser kurzen ›Meckerei‹ über den derzeitigen Stand der Dinge in Craft Beer-Berlin ergeben sich drei Dinge, die bei Brewdog Berlin hoffentlich besser hinhauen:
- Die Preise und – (auch) daraus folgend – das Sortiment. Einige Wirte versuchen, mit »gewissermaßen handgemacht«-Bieren (Rothaus, Augustiner!) auf mehr Umsatz zu kommen, die im Einkauf deutlich günstiger und im Geschmack massenkompatibler sind. Im Gegenzug werden besondere, außergewöhnliche Biere noch teurer und rarer. Da Brewdog die gesamte Wertschöpfungskette innehat, sollten solche Verrenkungen nicht nötig sein.
- Das Hol-Bring-Verhältnis. Der Service bedient im Gastraum. Dem Gast wird am Platze mit Aufmerksamkeit begegnet, besonders wenn man alleine unterwegs ist, ein sehr angenehmer Umstand. Natürlich muss man vorher ein Plätzchen gefunden haben, aber nun ja …
- Die Qualität des Personals. Brewdog bietet für sein Personal eine kostenlose Weiterbildung zum »Cicerone« an, was das Wissen vom Bier auf eine hinreichend solide Basis stellt. Ich möchte davon ausgehen, dass im »Geburtshelfer-Team«, das derzeit in Mitte schafft, einige davon vorhanden sind. Und noch mehr dazu kommen werden. Dann nehme ich auch schmunzelnd in Kauf, wenn ich wie beim letzten Mal einer Grundschulung im Gin Tonic machen zusehen muss …
Sollte sich das bewahrheiten, werde ich in Zukunft sicher regelmäßig dort vorbeischauen. Auch dann machen die erwähnten 5% »Shareholder«-Rabatt den Kohl nicht wirklich fett, aber sie werden mir eine angenehme Erinnerung daran sein, mal auf ein gutes Pferd gesetzt zu haben.